E-Scooter: Umweltfreundliche Mobilität oder trügerische Alternative?

Jürgen Pagel

E-Scooter: Umweltfreundliche Mobilität oder trügerische Alternative?

Die urbane Mobilität hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. E-Scooter gelten als Sinnbild der "Micromobility" – praktisch, emissionsarm und scheinbar ideal für die „letzte Meile“. Doch wie nachhaltig sind E-Scooter wirklich? Wie schlagen sie sich beim CO₂-Ausstoß, in puncto Kosten und im Vergleich zum Auto auf Kurzstrecken?

CO₂-Bilanz: Herstellung vs. Betrieb
Oberflächlich betrachtet erscheinen E-Scooter als nahezu emissionsfrei – schließlich verursachen sie während der Fahrt keinen direkten CO₂-Ausstoß. Doch ein genauerer Blick auf die Lebenszyklusanalyse (LCA) zeigt: Der Großteil der Emissionen entsteht nicht beim Betrieb, sondern bei der Herstellung und der Wartung.
Laut einer Studie der North Carolina State University (2019) verursacht ein durchschnittlicher E-Scooter rund 105 g CO₂ pro gefahrene Kilometer, wenn man Produktion, Stromverbrauch, Wartung, Ersatzteile und Entsorgung einbezieht. Zum Vergleich: Ein sparsamer Kleinwagen liegt bei etwa 120–140 g CO₂/km, der öffentliche Nahverkehr bei rund 50–60 g CO₂/km pro Person (je nach Auslastung).
Ein entscheidender Faktor ist die Lebensdauer der E-Scooter: Frühe Modelle im Sharing-Betrieb hielten oft nur wenige Monate durch. Mittlerweile wurden Haltbarkeit und Reparaturfähigkeit verbessert, doch die Umweltbilanz bleibt stark von der tatsächlichen Nutzung abhängig. Je länger ein Scooter im Einsatz ist, desto geringer ist sein CO₂-Fußabdruck pro Kilometer.

Vorteile von E-Scootern
1. Emissionsfreier Betrieb vor Ort: E-Scooter stoßen während der Fahrt keine Emissionen aus, was insbesondere in Städten mit hoher Luftverschmutzung ein Vorteil ist.
2. Platzsparend und leise: Sie benötigen kaum Stellfläche und verursachen keine Lärmemissionen.
3. Flexible Mobilität auf Kurzstrecken: Für Entfernungen bis ca. 3–5 km sind E-Scooter besonders zeitsparend und komfortabel.
4. Auch für Langstrecken geeignet
Auf Grund höherer Akku-Kapazitäten sind Reichweiten moderner E-Scooter von bis 50 Kilometer und mehr kein Problem.
5. Niedrige Betriebskosten: Ein privat betriebener E-Scooter benötigt auf 100 km Stromkosten von etwa 0,20–0,30 € – ein Bruchteil der Kosten für einen Pkw.

Nachteile und Kritikpunkte
1. Ressourcenintensive Herstellung: Die Produktion von Lithium-Ionen-Akkus und Aluminiumrahmen ist energieintensiv und ökologisch belastend.
2. Kurze Lebensdauer im Sharing-Modell: Obwohl verbesserungswürdig, liegt die durchschnittliche Lebensdauer eines Verleih-Scooters laut Studien noch bei unter 2 Jahren.
3. Problematische Entsorgung: Die Recyclingquote für Akkus ist begrenzt, oft landen defekte Scooter auf dem Elektroschrott.
4. Sicherheitsrisiken: Eine hohe Unfallrate, insbesondere ohne Helm oder andere entsprechende Schutzausrüstungen, sorgen für zunehmende Diskussionen im Straßenverkehr.
5. Verdrängung statt Ergänzung: Studien zeigen, dass E-Scooter häufig Fußwege oder ÖPNV ersetzen – und nicht primär Autofahrten. Die versprochene Umweltentlastung bleibt so begrenzt.

Auswirkungen auf das Verkehrssystem
E-Scooter können ein Element der Verkehrswende sein – wenn sie sinnvoll integriert werden. Sie bieten Potenzial auf der "letzten Meile" zwischen Bahnhof und Zieladresse oder als Zubringer zum ÖPNV. Werden sie jedoch wahllos genutzt, ersetzen sie lediglich emissionsarme Verkehrsmittel wie Rad oder Bus und führen sogar zu einem Anstieg des Gesamtverkehrs in Städten.

Ein weiteres Problem ist der öffentliche Raum: Wilde Abstellungen blockieren Gehwege, und fehlende Infrastruktur wie Scooter-Parkzonen oder Ladepunkte führen zu Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmern.

Kostenvergleich: E-Scooter vs. Auto (Kurzstrecke)


Fazit: Zwischen Lifestyle und Verkehrswende

E-Scooter sind im privaten Gebrauch sehr günstig, verursachen kaum laufende Kosten und können das Auto auf Kurzstrecken ersetzen. Im Sharing-Modell sind sie jedoch teuer – bei häufigem und regelmäßigem Gebrauch lohnt sich die Anschaffung eines eigenen Modells.
E-Scooter sind mehr als ein modischer Trend – sie haben echtes Potenzial, wenn sie richtig eingesetzt werden. Ihr größter Nutzen liegt in der Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr, nicht im Ersatz von Fahrrad oder Fußweg. Für die Umwelt lohnt sich der Einsatz nur, wenn sie Autofahrten tatsächlich ersetzen und lange genutzt werden.

Die Herausforderung liegt nicht in der Technologie, sondern in ihrer Einbettung in ein nachhaltiges Mobilitätskonzept. Nur dann wird der E-Scooter mehr als ein Lifestyle-Gadget – nämlich ein echter Baustein für eine klima- und verkehrsfreundliche Zukunft.

Die Hersteller scheinen dazu bereit zu sein. Regelmäßig neue Modelle mit größerer Reichweite, Vollfederung und Blinkern ausgestattet, warten auf die neuen Kunden.


Schlussendlich sind sowohl der Bund mit verbindlichen Vorgaben wie auch Kommunen gefragt, entsprechende Verkehrsmodelle zu unterstützen. Derzeit gilt – wie immer in jedem Bundesland anders geregelt – ein Mitnahmeverbot für E-Scooter im ÖPNV, angeblich wegen erhöhter Brandgefahr. E-Bikes sind davon nicht betroffen.

Dem Treiben von Sharing-Anbietern hat man fünf Jahre lang tatenlos zugeschaut. Erst seit diesem Jahr (2025) hat man in einigen deutschen Großstädten begonnen, Abstellzonen auszuweisen. Seitdem wird unkontrolliertes Abstellen sanktioniert.


Der Autor selbst hat 2025 den E-Scooter für sich als das optimale Fortbewegungsmittel für Aufträge in der nahen Umgebung entdeckt. Seitdem bleibt das Auto – von wenigen Regentagen und Einkäufen abgesehen – die meiste Zeit stehen. Das spart nicht nur Benzin, sondern auch Zeit und Nerven. Parkplatzsuche und Parkgebühren gehören somit der Vergangenheit an.


©2025 Jürgen Pagel

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