Preisverhandlungen

Jürgen Pagel

Wer billig kauft ...

... kauft zweimal. Da ist ohne Zweifel etwas dran.
Hast Du auch schon die Erfahrung gemacht? Hast Du auch schon mal etwas billig eingekauft und dann festgestellt, dass das erworbene Produkt nicht Deinen Ansprüchen genügt und Du es deswegen in besserer Qualität noch einmal kaufen musstest - also doch zum Teureren gegriffen hast?
Ich schon. Schon mehrfach - so ein Lernprozess dauert bisweilen recht lange.

Im Berufsfeld der Fotografie scheint das allerdings üblich zu sein. Damit meine ich nicht die Fotografen selbst, sondern viel mehr die Kunden und Kundinnen. Ich höre und lese immer wieder: "Sie sind mir zu teuer." Oder: "Kann man da am Preis noch etwas machen?" Ich antworte gewohnheitsgemäß auf so eine Frage: "Ja klar. Ich kann die Nullen farbig ausmalen." Und das ist gar nicht scherzhaft gemeint.

Warum ist das so?
Es gibt zu dieser Thematik gute Untersuchungen. Und Deine und meine eigenen Meinungen.
Tatsächlich kann man bisweilen den einen oder anderen Preis verhandeln. Aber nicht von vornherein sagen, das etwas zu teuer ist. Ich spreche lieber über Werte.

Viele Menschen vergessen jedoch, dass Preise kalkuliert werden. So einer Kalkulation liegen viele Faktoren zu Grunde.
Da ist zum Einen der Anschaffungspreis für das Equipment (Kamera, Objektive, Adapter, Leinwand, Licht-Setup u.v.m.). "Das kannst Du doch alles von der Steuer absetzen" höre ich dann. Ja klar. Das sind Betriebskosten und die finden in der Tat Berücksichtigung. Aber zunächst muss das dennoch angeschafft und bezahlt werden. Dann kommt Studiomiete (Kaltmiete plus Wasser, Strom, Heizung, Gebäudeversicherungen und Reparaturen) dazu, die Versicherungen (auf jeden Fall eine allgemeine Haftpflicht, vielleicht auch eine Berufshaftpflicht und eine Rechtsschutzversicherung, Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung), Rücklagen für die private Altersvorsorge (mindestens 500-700 Euro im Monat), Rücklagen für Reparaturen und Investionsrücklagen. Und für die Steuer, lasst uns die Steuer nicht vergessen. Das sind gut und gerne bis zu 40% des Gewinns vor Steuern.

Das alles muss ein Kunde nicht wissen. Und in aller Regel weiß er/ sie das tatsächlich nicht. Aber all das bestimmt den Preis und wenn man dann noch bedenkt, dass man 365 Tage im Jahr leben muss, aber nur ca. 210 Tage arbeiten kann (Krankheit, Urlaub abgezogen), sieht die Rechnung noch einmal anders aus. Und wenn man dann noch die umsatzlosen Stunden, Tage und Wochen abzieht, die von administrativen Tätigkeiten gefüllt sind, wird schnell klar, das etwas gar nicht teuer genug sein kann. Und über Konkurrenz, Standort und den Markt habe ich an anderer Stelle schon geschrieben.

Gegenwert
Das ist die eine Seite der Medaille. Die hat natürlich auch eine andere Seite - nämlich die des Gegenwertes. Es ist ja nicht so, dass der Kunden nichts für sein Geld erhält. Er bekommt eine erstklassige und gewissenhaft erbrachte, professionelle Leistung. Eher mehr, als weniger. Gemäß seinem Auftrag. Ohne, dass er dafür etwas tun muss (was übrigens der Sinn der ganzen Sache ist). Er spart Zeit, Nerven, Stress. Muss ich nicht mit Statisten herumärgern. Muss sich kein Equipment kaufen (zur Handyfotografie später noch ein paar Zeilen) und spart deswegen noch jede Menge Geld.

Und dann fragt er (Frauen sind dabei nicht ausgenommen) mich, ob man am Preis noch etwas machen kann? Ja, kann man sogar. Für sich wiederholende Aufträge gibt es selbstverständlich einen Treuerabatt (pssst, der ist vorher einkalkuliert). Für Großaufträge (Unternehmen mit mehr als 6.000 MitarbeiterInnen, die ihr Unternehmen professionell dargestellt haben wollen) ist man (also ich) sehr gerne bereit, über den Preis ernsthafte Verhandlungen zu führen. In gewissem Rahmen und nicht grundsätzlich.

Aber einfach zu sagen, dass man zu teuer ist? Das ist mir bedeutend zu einfach und deutet eher darauf hin, dass der Kunde gar nicht ernsthaft an einer Gegenleistung interessiert ist. Denn die kennt er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. "Dann mache ich lieber selber." So jetzt kommt eines meiner Lieblingsthemen. Die Handyfotografie.

Selbst ist die Frau bzw. der Mann - die Kunst des Fotografierens mit dem Handy
Handkameras sind zwischenzeitlich richtig Klasse geworden. Weiß ich. Es gibt sogar schon 1"-Sensoren. Und es gibt den Portraitmodus, der den Hintergrund unscharf macht. Und man kann - geeignete, meist kostenpflichtige Apps vorausgesetzt - sogar in RAW fotografieren. Geht alles. Sieht aber trotzdem Scheiße aus. Ich würde meine Produktfotos nicht mit dem Handy fotografiert haben wollen. So ganz ohne Nachbearbeitung geht es in aller Regel nicht - und da geht's schon los. Kameraintern wird nahezu alles an dem Foto angefasst, was geht. Die Bilder wirken überschärft, beinhalten zu viel Klarheit, zu viel Dunst entfernt und so weiter. Und wenn man dann ein Handy möchte, das wirklich gute Bilder macht, dann liegt der Anschaffungspreis schnell auf dem Niveau einer guten, gebrauchten Profi-Kamera mit einem zwischenzeitlich gutem Kit-Objektiv. Ich denke nicht, dass da etwas gespart sein wird. Dann schaut ein Bild aus, wie das andere. Close Up ist in aller Regel nicht möglich, Makroaufnahmen auch nicht und Landschaften sehen ganz komisch aus. Bitte nicht falsch verstehen und vieles klingt etwas überspitzt - es gibt viele Gelegenheiten, wo man sehr gut mit dem Handy fotografieren kann. Urlaubsschnappschüsse zum Beispiel. Keine Lust, eine Kamera mit sich herumzutragen, das schnelle Bild aus der Hüfte, unauffällig und unerkannt ein paar Shootings machen. Das mache ich durchaus auch so. Schließlich ist das Handy immer dabei. Viele Tricks lassen sich nur mit dem Handy machen und die Bilder in Photoshop nachbearbeitet kann zu genialen Ergebnissen führen. Ein klitzekleines Startup, dass mal schnell ein paar Bilder für den Instagram-Auftritt braucht - da reißt sich kein Fotograf darum.
Aber im Jahr 2,5 Millionen Euro umsetzen und dann am Fotografen sparen? Eine Hochzeit veranstalten, 10.000 Euro und mehr hinblättern und dann mit dem Handy fotografieren, statt die 2.000 Euro für den professionellen Fotografen draufzulegen und sich um Nichts kümmern müssen? Außer bei der späteren Bildauswahl aus 1.000 und mehr Fotografien (wobei hier der Fotograf natürlich schon eine Vorauswahl treffen wird). Portraits für den Job des Lebens benötigen und sich dann bei DM in die Kabine setzen?
Meines Erachtens definitiv der falsche Ansatz!

Was wirklich besser ist

Sparen Sie, lieber Kunde, liebe Kundin, nicht am falschen Ende. Machen Sie es bitte richtig und überlassen Sie das, was nicht Ihrer Kompetenz entspricht, dem Profi. In der Zwischenzeit können Sie mit Ihrer eigenen Kompetenz das Geld verdienen, das Sie benötigen, um den Fotografen zu bezahlen. So einfach ist das.


Was Du, lieber Kollege, liebe Kollegin, machen kannst, ist es Deine Preisargumentation im Geheimen so vorzubereiten, dass die Kunden mit Dir gar nicht erst diskutieren. Im dem Augenblick, wo Dein potentieller Kunde mit Dir über den Preis diskutieren will, hast Du das falsche Produkt - für diesen Kunden. Also lass' ihn ziehen. Jeder Topf findet seinen Deckel. Auch dieser diskussionsfreudige Kunde wird einen Fotografen finden, der es für die Hälfte Deines Preises macht. Aber der Kunde wird auch nur die Hälfte dessen bekommen, was er erwartet. Und das ist gut so. Denn er kommt wieder zu Dir, weil er zweimal kaufen muss. Das ist so. Manchmal dauert das ein paar Monate, aber er kommt. Das ist Gesetz und vom großen Fotografen-Gott so vorgesehen.


Fazit
Es gibt kein zu teuer oder kein zu billig. Es gibt angemessene Leistungen für angemessenes Geld. Du kannst nicht zu teuer sein. Du kannst nur zu wenig Leistung für Deinen Preis bieten - was nicht wirklich gut ist. Für den Kunden nicht und für Dich nicht. Der Kunde bekommt nicht das, was er wollte und Du verlierst einen Kunden. Beides ist doof. Also mach das nicht.

Habe Spaß und vergess' die Kunden und Kundinnen, die so tun, als ob sie Interesse an Deiner Leistung haben, aber es sich nicht leisten können. Alles wird gut.

© Jürgen Pagel 2022
LICHTWERK.DESIGN

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