Legal oder illegal = Sch....egal?

Jürgen Pagel

Legal oder illegal = Sch...egal?
Grundsätzliches zum E-Scooter-Tuning

Das ist der vorläufig letzte Blogbeitrag zum Thema E-Scooter - es sei denn, dass es herausragende Neuigkeiten gibt. Warum beschäftigt mich das Thema überhaupt? Nun ich habe mir vor einiger Zeit einen E-Scooter gekauft. Vor der Wahl stehend, ob es ein E-Bike oder ein E-Scooter werden soll, habe ich mich v.a. aus Kostengründen für den Scooter entschieden. Und ich habe das bisher nicht bereut. Ausgesprochen günstig im Unterhalt, allemal deutlich günstiger im Kauf als E-Bikes (hier sind die Kaufpreise seit 2022 geradezu explodiert) und ein hohes Maß an Flexibilität waren für mich Argumente für den Kauf.
Für Fotografen, die gerne mit leichtem Gepäck unterwegs sind - selbst ein Rucksack mit 10-12 Kg und seitlich befestigtem Stativ stellt keinerlei Hindernis dar und ist sogar bequemer zu tragen als mit einem Fahrrad, stellt der E-Scooter für ein Arbeitsumfeld von ca. 30-40 km ein ideales Fortbewegungsmittel dar.
Leider ist in Deutschland im Besonderen die Gesetzgebung wieder einmal deutlich über das Ziel hinausgeschossen und hat den Umstand, dass E-Bikes bis 25 km/h erlaubt sind, oftmals deutlich schneller fahren können und ein mindestens genau so hohes Unfallrisiko mit sich bringen, wie ein Scooter, vollkommen ignoriert. E-Scooter nur auf Grund ihres Antriebs als Kraftfahrzeug einzustufen und derartig zu reglementieren, wie dies derzeit der Fall ist, scheint mir nicht nur hinsichtlich einer beabsichtigten Mobilitätswende falsch zu sein, sondern behindert auch Innovationen und verlagert diese wie immer in das nichteuropäische Ausland (China, Südkorea und die USA sind führend in diesem noch relativ jungen Markt).
Schade eigentlich, es könnte so einfach sein. Aber "einfach" ist in Deutschland wohl nicht möglich.

Warum Tuning?
Welche Möglichkeiten zum Tuning gibt es, welche sind die Besten?
Welche rechtlichen Folgen entstehen durch das Tuning (hier vornehmlich in Deutschland)?
 
1. Grundsätzliches zum E-Scooter-Tuning
Der Trend zum E-Scooter ist ungebrochen. Doch mit wachsender Nutzerzahl wächst auch der Wunsch, mehr aus dem Scooter herauszuholen: Mehr Geschwindigkeit, größere Reichweite oder ein besseres Fahrgefühl. Tuning scheint hier die Lösung zu sein, vor allem vor dem Hintergrund strikter Vorschriften hinsichtlich Geschwindigkeit (22 km/h inkl. 10% Toleranz), immer noch fehlende Gleichstellung zu E-Bikes und anderes mehr.

2. Warum überhaupt Tuning?
Viele Besitzer eines E-Scooters stellen sich irgendwann die Frage: „Geht da nicht noch mehr?“ Gründe fürs Tuning gibt es viele:
• Mehr Geschwindigkeit: Der G3 ist auf etwa 20 km/h begrenzt – vielen ist das zu langsam.
• Optimiertes Fahrverhalten: Beschleunigung, Rekuperation oder Motorverhalten lassen sich je nach Anbieter anpassen.
• Persönliche Anpassung: Wer technisch interessiert ist, hat Spaß daran, das Gerät auf individuelle Bedürfnisse zuzuschneiden.

3. Welche Möglichkeiten zum Tuning gibt es – und welche sind die besten?
Es gibt verschiedene Arten des Tunings, die sich in Aufwand, Risiko und Effekt unterscheiden:

a) Software-Tuning (Firmware-Hacks)
Durch das Aufspielen modifizierter Firmware kann z. B. die Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben oder das Verhalten des Motors verändert werden.
Vorteile:
• Keine physischen Veränderungen am Scooter
• Vergleichsweise kostengünstig
• Rückgängig machbar (je nach Firmware)
Nachteile:
• Technisches Know-how erforderlich
• Hohe Risiken für Funktion, Garantie und Sicherheit

b) App-basierte Einstellungen
Einige Tuning-Apps (z. B. „Xiaoflash“, „SHU“ oder „Lizenzcode“) erlauben gezielte Anpassungen.
Hinweis: Diese funktionieren nicht immer mit den neuesten Modellen oder Firmware-Versionen und können den Scooter dauerhaft beschädigen.

c) Physisches Tuning (z. B. Motortausch, Akku-Modifikationen)
Hier wird die Hardware verändert – etwa durch stärkere Motoren oder zusätzliche Akkus.
Vorteile:
• Massive Leistungssteigerung möglich
Nachteile:
• Sehr aufwendig
• Teuer
• Höchstes Risiko (inkl. Brandgefahr bei Akku-Basteleien)
• Meist dauerhaft und schwer rückgängig zu machen

Alle Tuningmaßnahmen haben eine Erhöhung der Endgeschwindigkeit in den jeweiligen Fahrstufen zum Ziel. Das mag hinsichtlich Haltbarkeit von Controller, Motor(en) sowie Akku auf den ersten Blick problemlos erscheinen, da die meisten der in Europa erhältlichen E-Scooter für den US-Amerikanischen und chinesischen Markt konzipiert wurden, in denen es die in Europa geltenden Restriktion nicht gibt, dennoch verliert ein solcher manipulierter E-Scooter seine Garantie und jedwedes Geltend machen von Haftungsansprüchen gegenüber den Herstellern. Das gilt auch dann, wenn manipulierte E-Scooter ausschließlich auf dem Privatgelände bewegt werden. Ist ein ausschließlicher Betrieb auf Privatgelände und nicht öffentlichen Straßen von Belang, lohnt sich gleich der Kauf eines entsprechenden E-Scooters ohne Leistungsbeschränkungen.

Des Weiteren sollte sich jeder, der die Endgeschwindigkeit seines E-Scooters in Regionen jenseits der 30 km/h (50,60 oder gar 70 km/h sind dabei keine Seltenheit) „schraubt“, über die Sicherheitsrisiken im Straßenverkehr bewusst sein. 
Für die regulären 20 km/h (+10% Toleranz) besteht in Deutschland keine Helmpflicht – ebenso wenig wie für E-Bikes, die nicht nur bergab deutlich schneller fahren können. Dennoch zeigen aktuelle Statistiken über Unfallzahlen und Unfallfolgen, dass bei E-Scooter-Fahrern deutlich häufiger Kopf- und Gesichtsverletzungen zu verzeichnen sind, als bei Radfahrern. Das liegt zum einen an der aufrechten Standposition (größere Fallhöhe) und zum anderen an der festen Lenksäule, die bei der überwiegenden Zahl der Stürze in Fahrtrichtung stets im Weg ist, was zwangsläufig ein vornüber kippen nach sich zieht.

Deswegen ist das Tragen eines Kopfschutzes auch bei den erlaubten Geschwindigkeiten von erheblichem Vorteil. Erst recht jedoch beim Einsatz eines getunten E-Scooters. Zusätzlich schützen Rücken-, Brust-, Schulter, Ellenbogen-, Hüft- und Knieprotektoren bei Stürzen vor großflächigen Hautverletzungen und dämpfen Belastungsspitzen wirksam ab. Inklusive eines ordentlichen Schutzhelmes (Fahrradhelme sind dabei vollkommen unzureichend) kostet eine adäquate Schutzausrüstung inkl. Jacke und Hose ca. 400 Euro – in Anbetracht der Schutzwirkung nicht viel Geld.

Erlaube mir an dieser Stelle nochmals den Hinweis, dass ein Tuning von E-Scooter weder verboten ist noch unter Strafe steht. Lediglich der Betrieb auf öffentlichen Wegen und Straßen ist und bleibt untersagt. Wer das ausschließlich nur auf nicht öffentlichen Wegen und Straßen sowie auf einem Privatgelände nutzt, hat vor der Obrigkeit nichts zu befürchten.

4. Rechtliche Folgen in Deutschland
a) Erlöschen der Betriebserlaubnis
Sobald ein E-Scooter über 20 km/h fährt oder technisch verändert wird, verliert er seine Straßenzulassung (§19 StVZO Erlöschen der Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge). 

b) Fahren ohne Versicherungsschutz
Verändert man den Scooter, entfällt der Versicherungsschutz – im Falle eines Unfalls haftet man vollumfänglich selbst (§6 PflVG) mit seinem Privatvermögen. Die private Haftpflichtversicherung kommt für Schäden nicht auf, da die Versicherung von Kraftfahrzeugen in der Privathaftpflichtversicherung ausgeschlossen ist.

c) Strafrechtliche Konsequenzen
Tuning kann je nach Ausmaß als Fahren ohne Fahrerlaubnis (§21 StVG) und Fahren ohne Versicherungsschutz (§6 PflVG) gewertet werden – es drohen:
• Bußgelder
• Punkte in Flensburg
• Strafverfahren
• Fahrverbote

Die Strafen sind drakonisch. Während das Fahren ohne ABE „nur“ 70 Euro kostet und 1 Punkt im Verkehrszentralregister in Flensburg nach sich zieht, die fehlende Versicherungsplakette bei einem versicherten E-Scooter lediglich mit 20 Euro zu Buche schlägt, schaut es beim Fahren ohne Versicherungsschutz schon ganz anders aus. Das Fahren ohne Versicherungsschutz gilt als Straftat (§ 6 PflVG) und zieht Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr nach sich. Zudem drohen je nach Schwere des Falles (Wiederholungs- oder Unfall mit Personenschaden) zusätzlich 2-6 Punkte in Flensburg und der Führerscheinentzug für bis zu drei Monaten.
Und das alles für ein paar Stundenkilometer mehr auf dem Tacho. Es gilt also, entsprechende Überlegungen anzustellen, bevor man an der „Tuning-Schraube“ dreht.
Letztendlich muss das aber jeder selbst wissen – auch 14jährige sind m.E. alt genug, um die Reichweite ihres Handels abschätzen zu können.

Fazit - Großartig, aber riskant
Das Tuning eines Ninebot Max G3 kann faszinierend sein – keine Frage. Doch in Deutschland bewegen sich Tuner auf dünnem Eis: Wer seinen Scooter verändert, riskiert hohe Strafen, den Verlust des Versicherungsschutzes und sogar die eigene Sicherheit.
Wer dennoch mehr aus seinem E-Scooter herausholen möchte, sollte auf legale Optimierungen setzen – etwa durch richtige Wartung, Luftdruckkontrolle, oder das Nutzen der vom Hersteller angebotenen Fahrmodi.

©2025 Jürgen Pagel

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