Kaufe kein Kit-Objektiv

Jürgen Pagel

Der Beitrag  wurde am 21.04.2023

Kaufe kein Kit-Objektiv ...

Stefan Wiesner hat zu diesem Thema vor 12 Tagen ein Video veröffentlicht, dessen (durchaus) provokativer Titel die "Gemeinde" wie erwartet spaltet. Was ist der Hintergrund (kleines Wortspiel ;-) )? Lese es hier.

Was ist ein Kit-Objektiv? Sogenannte Kit-Objektive werden von den Kamera- und Objektivherstellern im Bundle mit einer Kamera angeboten. Irgendwie logisch, denn nicht alle, die sich eine neue Kamera kaufen, sind "Profis". Häufig finden sich Umsteiger oder Fotografieeinsteiger unter den Käufern, die zunächst mit ihrer neuen Kamera fotografieren wollen und nicht erst noch nach einem geeigneten Objektiv schauen, von dem sie noch gar nicht genau wissen, wie das auszusehen hat.

Wer bereits länger fotografiert, kauft sich einen Kamerabody und verzichtet auf das Kit-Objektiv, auch wenn es sich dabei vermeintlich um ein Schnäppchen handelt, denn er besitzt bereits einen umfangreichen Objektiv-"Park".

Kit-Objektive sind per se nicht schlecht. Aber warum sollte ein Hersteller von Kameras und Objektiven ein solches auf den Markt bringen, dass im Bundle mit der Kamera angeblich nur die Hälfte von dem kostet, dass er als Einzelstück ohne Bundle auf den Markt bringt?

Dafür gibt es keine logische Begründung. Dennoch macht er alles richtig. Erstens: Gewähre keinen Rabatt, den Du vorher nicht einkalkuliert hast (oberstes Marketing-Gesetz). Zweitens: Kit-Objektive sind in aller Regel deutlich günstiger zu produzieren, weil sie weniger Lichtstark sind. So beginnen Zoom-Objektive mit einer f/4.0, Festbrennweiten in der Regel mit f/3.5 - für Schnappschüsse in freier Natur bei Tageslicht kein Problem. In geschlossenen Räumen ohne Blitzlicht kaum sinnvoll.


Schärfe und ISO

Scharf wird ein Foto vor allem mit kurzen Verschlusszeiten. Kurze Verschlusszeiten ziehen jedoch bei unzureichenden Lichtverhältnissen eine hohe ISO nach sich und eine hohe ISO wird im Rauschen v.a. in den dunklen Bildanteilen sichtbar. Diese lässt sich zwar in der anschließenden Bildbearbeitung reduzieren; das aber wiederum geht auf Kosten der Schärfe. Abhilfe schafft hier nur ein Programm wie Topaz AI. Allerdings kostet die Vollversion ca. 220 Euro, was für den Leistungsumfang der Software vollkommen in Ordnung geht, aber immerhin ein zusätzliches Investment bedeutet. Zwischenzeitlich (Stand 20.04.2023) ist Lightroom in der Version 12.3 mit einer Rauschreduktion erschienen, die in weiten Teilen noch bessere Ergebnisse liefert, als Topaz AI.


Lösung

Abhilfe schafft ein lichtstarkes Objektiv in Form einer Festbrennweite mit f/1.8. Diese gibt es jedoch definitiv nicht zum Preis eines Kit-Objektivs. Dadurch sind kurze Verschlusszeiten mit deutlich niedriger ISO zu erzielen.
Blenden um die f/1.0, 1.2 oder 1.4 zeigen v.a. bei Drittherstellern bei vollständig geöffneter Blende Randunschärfen und chromatische Aberrationen.
Und - etwas, dass die Kamerahersteller bei der Bewerbung ihrer Kit-Objektive gerne anders darstellen - es verleiht Ihnen deutlich mehr Kreativität. Zoom-Objektive führen zu Schnappschüssen. Man muss sich wenig bis gar nicht bewegen. Dagegen ist bei einer Festbrennweite das Fußwerk der Zoom - Sie müssen sich bewegen, um einen passenden Bildausschnitt zu kreieren.

Außerdem sind lichtstarke Festbrennweiten relativ preisstabil und lassen sich bei Bedarf auch nach einigen Jahren der Nutzung immer noch gut verkaufen, wohingegen Kit-Objektive nicht ohne Grund auf dem freien Markt kaum zu finden sind und wenn, dann für sehr kleines Geld.


Unterschied zur Handykamera

Wenn Sie Bilder mit einem Kit-Objektiv machen, könnten Sie genauso gut auch mit dem Handy fotografieren. Dazu brauchen Sie sich aber nicht eine 2.000 Euro teure Kamera kaufen - Ihr Handy macht dann u.U. die besseren Bilder.


Wer sich für die Fotografie entscheidet, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Investition in gute Objektive unumgänglich ist - sie sind wichtiger, als die Kamera.


Fazit

Wer A sagt muss auch B(bezahlen). Kaufen Sie sich einen Kamerabody und verzichten Sie auf das Kit-Objektiv. Starten Sie bei Vollformat-Kameras mit einem 50mm-Objektiv. Das APS-C-Äquivalent dazu wäre ein 35mm-Objektiv.

Dann legen Sie sich imi Laufe der Zeit für Vollformat eine 24mm-, eine 35mm- und eine 85mm-Brennweite zu (im APS-C-Äquivalent wären das eine 16mm-, eine 24mm- und eine 56mm-Brennweite). Damit sind Sie dann zunächst gut bedient und stoßen die Tore zu einer kreativen Fotografie weit auf.
Und wenn Sie dann immer noch Spaß an der Fotografie haben, dürfen Sie sich nach ein paar Jahren gerne ein lichtstarkes Zoomobjektiv mit einer durchgehenden Blende f/2.8 für 1.500 Euro und mehr zulegen ;-).

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