Fotografie mit dem Smartphone

Jürgen Pagel

Fotografie mit dem Smartphone

Immer wieder hört und liest man in jüngster Zeit, dass die Fotografie tot sei. Gefühlt kommt jedes Vierteljahr ein neues Smartphone auf den Markt – gepaart mit Marketingversprechen, die so nicht zu halten sind. Drei oder vier Linsen sind heute keine Seltenheit mehr und die Sensoren werden künstlich auf 50 Megapixel und mehr „aufgepimmt“. So wird dem Nutzer des Telefons – ja, wir reden über ein Telefon, nicht über eine Pocketkamera – suggeriert, dass er keine „richtige“ Kamera braucht, weil das Smartphone alles für exklusiv erledigt und das in einem Ausmaß, wie das eine „richtige“ Kamera nicht könnte.

Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit

Was dabei geflissentlich verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass ein solches Telefon ohne Vertrag oftmals mehr kostet als eine Einstiegs- oder eine gebrauchte Mittelklassekamera mit APS-C-Sensor. Und wer ein bisschen sucht, findet sogar gute gebrauchte Vollformatkameras (beispielsweise eine Sony A7III, zwar schon etwas älter, aber immer noch eine hervorragende Vollformatkamera) in dieser Preisregion.
Denn in Bezug auf die Technologie des Telefonierens hat sich bei den Smartphones nichts getan. Ihren eigentlichen Zweck erfüllen alle Smartphones mittlerweile klaglos – sofern das dafür erforderliche Netz und die Netzabdeckung im ländlichen Raum ausreichend sind. Was will man auch sonst mit dem Ding machen, außer vielleicht noch E-Mails checken oder mal kurz die Nachrichten im Internet lesen?


Sensoren so klein wie Mikrochips

Die Sensoren der Smartphones sind und bleiben nun mal deutlich kleiner als die ihrer großen Pendanten. Daran wird sich auch nicht viel ändern – bauartbedingt.
Kleinster Sensor mit vielen Pixeln bedeuten auch weniger Pixelabstand, weil mehr Pixel auf eine deutlich kleine Fläche gedrängt werden. Das beeinträchtigt nicht nur das Rauschverhalten, sondern auch den Dynamikumfang erheblich. Das Rauschen versucht man mit einer integrierten Rauschreduzierung in den Griff zu bekommen. Viel Rauschreduzierung bedeutet aber auch Verlust an Schärfe. Diese wieder anzuheben, macht die Bilder bei näherer Betrachtung matschig. Ein Problem, das bisher allen Smartphone-Fotos eigen ist.
Von einer angemessenen Qualität sind also solche Bilder weit entfernt – zumindest aus der Nähe betrachtet.


Instagram & Co.
Für Instagram und Co. mag das vollkommen ausreichen, da hier sowieso eine Komprimierung erfolgt, um der Bilderflut im Netz Herr zu werden. Wer also ausschließlich sein Leben dokumentiert, schnell mal ein paar Bilder ins Netz stellen möchte, ist trotz der eindeutigen Nachteile eines Smartphones hinsichtlich der Fotografie gut bedient.


Regeln der Fotografie
Wer dann noch die allgemein gültigen Regeln der Fotografie – gerne auch mal im Querformat – beherrscht wie Drittelregel, korrekte Belichtung, Fotografie im RAW-Modus mittels entsprechender Applikationen, Bildkomposition u.a., hinterlässt durchaus ansehnliche Spuren der Fotografie. Wer jedoch Wert auf ausgefeilte, detailreiche Darstellungen von hoher Qualität will, MUSS zur „richtigen“ Kamera greifen. Da führt in absehbarer Zeit kein Weg vorbei.


Hochzeitsfotografie mit dem Handy
Von angeblichen Fotografen, die behaupten, sie bräuchten für die Hochzeitsfotografie nur ein Handy, ist dringend abzuraten. Das muss für alle Beteiligten in einer herben Enttäuschung enden. Auf dem Handy betrachtet mag das noch durchgehen, aber spätestens auf Druck und genauer Betrachtung werden die Unterschiede ersichtlich. Eigentlich auch irgendwie logisch und hier täuscht der gesunde Menschenverstand nicht.


Business- und Foodphotography
Gleiches gilt für die Businessfotografie und für die Foodphotography. Das ist teilweise abenteuerlich, was einem da als Hochqualitativ „verkauft“ wird. Lieblos dahingeknipstes Essen, Portraits ohne Beachtung des Lichteinflusses.
Fotografie ist eben mehr als Knipsen, als den Auslöser drücken.
Fotografie ist Planung, ist Strategie. Der Fotograf weiß bereits bevor er den Auslöser drückt, was er erwartet. Klar – werden jetzt die Smartphone-Enthusiasten sagen – geht das mit dem Handy auch. Nein, geht es nicht. Denn an den technischen Nachteilen ändert sich auch mit der besten Planung nichts. Ein klitzekleiner Sensor bleibt ein klitzekleiner Sensor, der künstlich aufgepumpt wurde und bei dem die integrierte Software permanent Höchstleistung erbringen muss, um etwas einigermaßen Ansehnliches zu produzieren.

Schau‘ dir ein Making-Off von einer Food-Photography an. Das dauert Stunden, bis alle sitzt und passt. Ich weiß, wovon ich rede bzw. schreibe. Ich habe einige Jahre für Wolt gearbeitet und in Restaurants und Schnellimbissen Fotos für Netzwerke gemacht. Was zunächst einfach klingt, hat sich allzu oft als echte Herausforderung herausgestellt. Fehlendes, schlechtes oder falsches Licht durch LED-Beleuchtung im Lokal, die sich nicht ausschalten lässt und mit dem Blitzlicht zusammen eine wenig ansprechende Mischbeleuchtung ergibt. Unsaubere Tische oder Teller, auf denen man später in dem Bild jeden kleinen Wasserfleck oder Krümel sieht. Wenig ansprechend zubereitetes Essen, dass man „zurechtzupfen“ muss, um die Hungergefühle der Betrachter anzusprechen. Mit dem Smartphone wird das eine einzige Katastrophe und sehen die Bilder von Restaurantbesitzern im Vorbeilaufen geknipst auch aus.

Gleiches gilt für anspruchsvolle Businessportraits von Unternehmern, Unternehmerinnen und Mitarbeitern. Da werden jedes Jahr Millionen Euro umgesetzt, aber für die Präsentation der Außenwirkung eines Unternehmens zeichnet sich eine Angestellte der Personalabteilung verantwortlich, die in der Mittagspause mit dem Handy mal eben schnell ein paar Fotos in praller Sonne vor dem Werkstor knipst. Ein absolutes No-Go.


Kundenansprüche

Das alles kann irgendwie funktionieren und vielleicht legen die Kunden darauf keinen Wert. Aber vielleicht und sehr wahrscheinlich doch, wenn es darum geht, aus einer Fülle von Angeboten die Spreu vom Weizen zu trennen. Da können ein paar Fotos den Unterschied ausmachen.


Fazit

Lass‘ dich nicht vor den Karren der Marketingkampagnen von Smartphone-Herstellern spannen. Investiere als Kunde ein paar Euro in einen guten Fotografen (Garantieanspruch für die Dienstleistung eingeschlossen) und als Fotograf ordentliches Geld für eine ebenso ordentliche Ausrüstung. Dann sind am Ende alle zufrieden und haben Spaß an den Bildern.


Fotografie ist nicht tot - sie ist nur ein wenig anders geworden. Einfacher und dennoch anspruchsvoller.


©2024 Jürgen Pagel | Neunzehn58

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