Smartphone versus Kamera

Jürgen Pagel

Smartphone versus Kamera

Der Grund, warum ich dieses Thema zum wiederholten Male aufgreife, liegt an der – sagen wir es vorsichtig – eigenartigen Argumentation von potenziellen Kundinnen und Kunden, die den Nutzen eines Einsatzes von großen, „richtigen“ Kameras nicht immer nachvollziehen können.

Daraus entstehen Irrtümer nicht nur hinsichtlich er zu erwartenden Ergebnisse, sondern leider auch in finanzieller Hinsicht. Es ist für viele Kundinnen und Kunden somit nicht nachvollziehbar, warum ein Fotograf oder eine Fotografin für ihren Einsatz 200 Euro und mehr pro Stunde in Anrechnung bringen, wo man das alles doch mit einem Smartphone deutlich schneller und einfacher erledigen könnte. Und genau hier entstehen die meisten Gedankenfehler, Mythen und Irrtümer.

Zunächst, ein Smartphone ist großartig. Zum Telefonieren, zum Nachrichten schreiben, zum E-Mails checken – zu all den Dingen, die uns den Alltag (meistens) einfacher und angenehmer machen und die sich zwischendurch erledigen lassen. Die in den Smartphones verbauten Kameras waren zu Zeiten des Beginns der Entwicklung der mobilen Telefonie niemals dazu gedacht, hochwertige und qualitativ exzellente Fotografien sowie Videos zu erstellen.
Erst im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich ein immer stärker werdender Markt hin zur mobilen Fotografie, die es erlaubt, in jeder Lebenslage Fotos zu „schießen“ und Videos zu machen, ohne dazu ständig eine spezielle Kamera mitzuführen.

Der daraus entstandene Wettbewerb mit der Kameraindustrie hat mittlerweile dazu geführt, dass Smartphones als eierlegende Wollmilchsäue gepriesen werden. Zum Leidwesen der Kameranutzer, der Kameraindustrie, aber auch der Smartphonenutzer selbst. Denn wer heutzutage ein Smartphone sucht, dessen Haupteigenschaften ausschließlich auf der Kommunikationsebene liegen, wird schwer bis gar nicht fündig. Wer sich für ein iPhone 16 Pro entscheidet, weil die Kommunikationseigenschaften hervorragend sind, zahlt schließlich das "Kamerazubehör" mit, obwohl er das nicht nutzt oder nicht nutzen will.


Nachteile der Smartphones, in denen Deine Handy-Kamera versagt

1.       Smartphones haben keine verstellbare Blende. Ausnahmen bilden hierbei nicht die Regel. Wenn doch, dann sind diese nicht verstellbar und haben wenig Einfluss auf das fertige Bild. Die Blende jedoch ist ein wesentliches gestalterisches Element der Fotografie. Feste Blenden erlauben weder einen Einfluss auf die Tiefenschärfe noch auf das Bokeh. Werden mehrere Linsen zur Anwendung gebracht, dann hat jede dieser Linsen eine eigene, feststehende Blende. Die Software ist zwar zwischenzeitlich geeignet, das Bokeh zu errechnen, aber solche „errechneten“ Bilder sind nicht mit denen einer Kamera mit variabler Blende zu vergleichen.

2.       Es gibt keine richtige Verschlusszeit. Das Einfrieren oder Verwischen von Bewegungen ist nicht möglich. Bei einer digitalen Verschlusszeit geschieht physikalisch nicht das Gleiche, wie bei einer Kamera.

3.       Smartphones haben deutlich kleine Sensoren. In der Regel hat jede Linse einen eigenen Sensor. Damit fungiert eine Linse als Hauptlinse mit einem meist etwas größeren Sensor und alle anderen Linsen projizieren auf noch einmal kleinere Sensoren. Das ist bauartbedingt auch gar nicht anders möglich. Wer sich schon einmal den Sensor einer Vollformat-, APS-C- oder gar einer MFT-Kamera angeschaut hat, dem wird schnell klar, dass diese Sensorgrößen bei Smartphones nicht realisierbar sind. Das bedeutet, dass jeder der angepriesenen Bildpunkte (Pixel) sehr klein sein muss. Werden also 50 Megapixel und ggfls. auch mehr Pixel bei einem Smartphone-Sensor angepriesen, müssen diese erheblich kleiner sein als bei einem größeren MFT- oder gar Vollformatsensor. Kleinere Bildpunkte lassen das Bild matschig erscheinen. Das die Bildergebnisse dennoch bei Tageslicht und Sonnenschein häufig überraschend gut sind, ist der Software zu verdanken, die mehrere Bildpunkte zusammenfasst und damit eine optimierte Wiedergabe erlaubt.

4.       Wie bereits unter Punkt 3 erwähnt, greift die Software bei einem Smartphone erheblich in das Bildgeschehen ein. Das tut sie bei Kameras auch – zumindest im JPEG-Format, aber mit einem anderen Hintergrund. Pixel werden gebündelt, mehrere Fotos unmittelbar hintereinander ohne Zutun des Fotografierenden aufgenommen – alles, um die Qualität der Aufnahme scheinbar zu erhöhen. Oftmals funktioniert das gut. Allzu oft gereicht das jedoch eher zum Nachteil.

5.       In der Dunkelheit sind Bewegungen nicht oder nur sehr eigeschränkt zu fotografieren. Auch im sogenannten Portraitmodus sind Aufnahmen selbst bei Tag auf Grund der Pixeldichte, der geringeren Lichtempfindlichkeit sowie dem schlechteren Rauschverhalten nur eingeschränkt verwendbar.

6.       Einige Smartphones verfügen über eine Telelinse, um nicht digital zoomen zu müssen, was stets eine schlechtere Bildqualität bedeutet. Im Grunde ist aber auch das nur ein Marketing-Gag, weil hinter dieser Telelinse wiederum ein kleinerer Sensor als der Hauptsensor steckt.


Würden sich mit kleineren Sensoren die gleichen bestechenden Bilder wie bei einer „richtigen“ Kamera erzielen lassen, kannst Du versichert sein, dass die Kamerahersteller diese Gelegenheit längst beim Schopf ergriffen hätten. Haben sie aber nicht, weil es physikalisch einfach nicht geht.


In welchen Situationen ist ein Smartphone als Kamera überlegen?

Letztendlich heiligt der Zweck die Mittel. Für jeden, der mal eben schnell ein Bild fürs Album braucht, ist ein Smartphone das Mittel der Wahl.
Dazu gehören Architekten, die einen Baustellenfortschritt dokumentieren wollen und die Bilder anschließend wieder löschen. Für das Führen eines Bautagebuchs sind qualitativ hochwertige, hochauflösende und detailreiche Aufnahmen unabdingbar.
Jeder Urlauber, der auf das Mitführen einer Fotoausrüstung verzichten und einfach nur ein paar Erinnerungen für das Familienalbum haben möchte, ist das Smartphone perfekt geeignet.
Das schnelle Foto auf der Party, dieser eine kleine superlustige Moment mit den Kindern, das komische Gesicht bei der Geburtstagsüberraschung, die mit Sahne verschmierte Hundeschnauze – dafür ist das Smartphone perfekt. Weil immer dabei, schnell zur Hand und ebenso schnell „schussbereit“.
All diese Situationen bedingen auch keine aufwendige Bildbearbeitung. Solche Bilder sind gut, wie sie sind. Wenn das Licht nicht perfekt ist, eine leichte Unschärfe eben genau den laienhaften Stil unterstreicht oder eben kein professionelles Bildmaterial benötigt wird, ist das Smartphone der Kamera überlegen.

Wann ist eine „richtige“ Kamera angezeigt?

Immer dann, wenn es gilt, Personal Branding zu betreiben, ein Unternehmen professionell als Marke zu platzieren, das Tagesessen für Speisekarte in einem Hotel oder Restaurant zu fotografieren, muss ein Smartphone obsolet sein. Aufwändige Architekturfotografie, Modefotografie, Tierfotografie, Portraitshootings für Sedcards, Events wie Markentreffen oder Vorstandssitzungen, Hochzeiten, der Achtzigste von Onkel Ewald, die Reportage über das lokale Handwerk oder die Weinlese – all das sind klassische Einsatzgebiete professioneller Fotografie bzw. Videografie, bei denen ich als Kunde auf den Einsatz eines Berufsfotografen nicht verzichten würde. Auch wenn der Preis eine nicht unerhebliche Rolle spielt, zahlt sich sein Einsatz am Ende dennoch aus – schließlich kauft zweimal, wer sich für die vermeintlich günstigere Variante entscheidet.


Fazit

Das soll nicht bedeuten, dass ein Smartphone per se die schlechtere Wahl ist. Keineswegs. Der Einsatzzweck bestimmt die Wahl der Mittel. Bei schlechtem Wetter im Schatten eines Baumes ein Available Light Shooting zu veranstalten, funktioniert weder mit einem Smartphone noch mit einer richtigen Kamera. Ohne den gezielten Einsatz von Blitzlicht wird das nichts werden. Ein Fotograf, der nicht mit Licht umzugehen versteht, darf sich keineswegs einem Smartphone-Hobbyisten überlegen fühlen. Und wer als Handy-User sein Smartphone zum Fotografieren auch mal ins Querformat bewegt, gehört zu der seltenen Gattung der Smartphone-Fotografen, deren Bilder meist sehr ansehnlich sind. Und wer auch sonst Landschaften mit einer durchgängigen f/11.0 fotografiert, braucht den Einsatz eines Smartphones nicht scheuen. Tatsächlich sind die Unterschiede dabei eher marginal.

Aber meine Hochzeit würde ich trotzdem nicht mit dem Smartphone fotografiert wissen wollen – auch dann nicht, wenn das Ding fünf verschiedene Linsen hätte und derjenige sogar noch in RAW fotografiert. Die Qualität der Bildausbeute mit einer Kamera dürfte ein Vielfaches höher sein. Und sehr häufig geht es noch nicht einmal um das Bildmaterial, denn Fotografieren ist mehr als auf den Auslöser zu drücken. Das Verständnis für Brennweite, Blende, ISO, Verschlusszeit, dass sich daraus ergebende Belichtungsdreieck, das Auge für die Bildkomposition, die Gestaltungsregeln, die Farbgebung und die Einflussnahme auf die Bewegung des Models oder der gesamten Szenerie, sind sehr viel bedeutsamer, ob da nun jemand eine Kamera für 1.000 oder für 8.000 Euro in den Händen hält.
Aber hier hast Du es als geneigter Kunde natürlich schwer. Hinterher ist man zumeist schlauer.


Nichtsdestotrotz wünsche ich Dir viel Erfolg bei der Suche nach einem für Deine Zwecke geeignetem Fotografen und würde mich natürlich sehr freuen, wenn dabei Deine Wahl auf mich treffen würde.


©2025 Jürgen Pagel

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