Preise und Preisgestaltung

Jürgen Pagel

Preise und deren Gestaltung

Der eine oder die andere wird es schon gemerkt haben – eines meiner Lieblingsthemen. Aber auch ein Thema, das allerorten immer und immer wieder unter Fotografen und deren Kunden Grundlage für Diskussionen darstellt.

Anmerkung: Ich schreibe das aus der Sicht eines Fotografen. Allerdings lässt sich das nahezu ohne Einschränkung auf jeden anderen Beruf übertragen.

Zunächst: Nichts, aber auch gar nichts ist umsonst und soll es auch nicht sein. Falls jemand, der seinen Lebensunterhalt mit dem verdient, was er beruflich – sei es haupt- oder nebenberuflich – macht und auf Dauer mit dem Ziel verbindet, alles kostenlos anzubieten, sollte sich davon schnell befreien. Auch wenn viele Leute „da draußen“ meinen, dass kostenlos, für die Ehre oder für einen Handschlag etwas zu tun, selbstverständlich ist – ist es nicht.
Weder für die Ehre noch für einen Handschlag gibt es Lebensmittel, Strom, Gas, Wasser, Miete. Wenn doch, dann ist das die absolute Ausnahme und keinesfalls die Regel.
Selbst das sogenannte „kleine Geld“, die „schmale Mark“ wie man früher sagte, sind auf Dauer nicht zu halten.

Wer mit der Fotografie oder egal mit was auch immer in den Kinderschuhen steckt, kein Portfolio und keine Referenzen aufzuweisen hat, wird nicht umhinkommen, dass eine ums andere Mal etwas kostenlos anzubieten. Nur so bekommt man Leistungsnachweise in sein Portfolio, die jeder Kunde vor der Auftragserteilung sehen möchte. Das ist jedoch genauso ein temporärer Prozess wie zeitlich begrenzte Sonderangebote – wobei sich da schon die Geister teilen.

Ich bin – wie viele meiner Berufskollegen auch – der Meinung, dass kostenlose Angebote besser sind als solche weit unter dem regulären Preis.
Beispiel: Du hast noch niemals eine Hochzeit fotografiert, würdest das aber gerne tun und um Aufträge zu bekommen, bietest du deine Leistung für beispielsweise 400 Euro als Tagesleistung an. „Normalerweise“ und gut kalkuliert fallen für eine Hochzeit mit kirchlicher Trauung und anschließender Festaktivität ca. 13-14 Stunden Arbeit und ca. 2.500 – 3.000 Euro netto an, inkl. der im Anschluss erfolgenden Bildauswahl und der Bildbearbeitung. Das sind alles iin allem ca. 3-4 Tage Tätigkeit nur für diese eine Hochzeit, also im Idealfall ca. 1.000 Euro pro Tag. Wer sich auf die Hochzeitsfotografie spezialisiert hat weiß, dass diese nur am Wochenende stattfinden. Vier Hochzeiten im Monat wären schon grandios, aber das werden die wenigsten Hochzeitsfotografen realisieren können. Die Zahl der Hochzeiten nimmt im Winterhalbjahr deutlich ab. Auch diese Zeit will überbrückt werden.
Schnell wird deutlich, dass 400 Euro für all dem Fotografen nirgends hinreichen. Das entspräche einem Tagessatz von gerade einmal 100 Euro. Und trotzdem gibt es potenzielle Auftraggeber, die nicht bereit sind, mehr für einen Fotografen auszugeben. Für dieses „kleine Geld“ mag man keine qualitativ hochwertige Arbeit abliefern. Ausgeschlossen. Und es macht – aber das nur nebenbei – die Preise kaputt. Zu hohe Preise dagegen schaden nicht. Wer zu teuer ist, findet keine Kunden. Wer zu billig ist, verliert Kunden, kann auf Dauer nicht „überleben“ und schadet denjenigen, die gut, richtig und fair kalkulieren. Übrigens scheint das ein Trend der heutigen Zeit zu sein: Immer mehr Leistung für immer weniger Geld mit ständig wachsender Qualität. Die Gesetze des Marktes verbieten das.

An dieser Stelle ein Zitat von John Ruskin, einem englischen Sozialreformer (1819-1900), das treffender nicht sein kann:
„Es ist unklug, viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.“

Leider haben verstehen das offensichtlich weder die potenziellen Kunden noch die Auftragnehmer. Beispiele dazu hat jeder Leser sicher genug in seiner näheren Umgebung. Der fünfte Dönerladen in der Straße – jeder macht es billiger als der andere. Geschäftsleute, die sich mit Sonderangeboten und Rabatten gegenseitig das Leben schwer machen, bis der eine oder andere auf der Strecke bleibt und dann das Aussterben der Ladengeschäfte in den Städten beklagen. Für dieses Sterben sind weder Amazon noch Ebay verantwortlich, sondern der miese Service, der einem heutzutage aus den meisten Ladengschäften entgegenschlägt. Günstige Preise bringen geringen Umsatz. Geringer Umsatz erlaubt keine angemessenen Gehälter. Unangemessene Gehälter machen unzufriedene Mitarbeiter. Unzufriedene Mitarbeiter haben keine Motivation. Motivationslosigkeit und Zukunftsangst sorgen auf Dauer für ein schlechtes Betriebsklima und das Ergebnis eines schlechten Betriebsklimas sind erhebliche Defizite im Service. Die Frage „Was, edler Ritter, ist dein Begehr?“ (ok, man kann das auch anders formulieren) erfährt man selten. Vielmehr ist die Entschuldigung des geneigten Kunden üblich. Entschuldigung dafür, dass er den Verkäufer belästigt.

Aber zurück zu den Preisen.
Preise wollen kalkuliert werden. Das eine Dienstleistung bei einem (Fotografen) 200 Euro und bei einem anderen 300 Euro wert ist, kann mit seinen Lebensumständen zusammenhängen, denn der eigene Lebensstandard bestimmt eine Preiskalkulation ebenso, wie das zur Anwendung gebrachte Material und die Gerätschaften, die zum Einsatz kommen. Vielleicht sind auch bei dem Kollegen für 300 Euro mehr Leistungen inkludiert als bei dem Kollegen, der seine Leistung für 200 Euro anbietet. Wir als Kunden wissen es nicht, solange nicht darüber gesprochen wird und Preise nicht transparent dargestellt werden.

Meine Empfehlung
Kalkuliere deine Preise sach- und fachgerecht. Ich habe dazu bereits in der Vergangenheit einige Artikel in meinem Blog verfasst.
Sonderangebote sind super. Sie erregen Aufmerksamkeit, machen neugierig und erzeugen künstlich das Gefühl der Verknappung einer Leistung. Aber sie sollten temporär begrenzt sein. Einige Tage, wenige Wochen, maximal einen Monat. 
Passe deine Preise regelmäßig an. Kunden nehmen es deutlich gelassener, wenn du deine Preise jedes halbe Jahr, spätestens nach einem Jahr leicht erhöhst, als wenn dir nach fünf Jahren einfällt, dass du deine Preise mal wieder der Inflationsrate anpassen solltest und dann plötzlich 50% mehr auf der Rechnung stehen. 
Gestalte deine Preise transparent und nachvollziehbar. Sind beispielsweise Zeiten und Kosten für die Bildentwicklung nicht im ausgeschriebenen Preis inkludiert, dann kommuniziere das auch so. Schreibst du Komplettpreise aus, dann solltest du auch das dem Kunden gegenüber bereits im Vorfeld, spätestens jedoch beim ersten Gespräch kommunizieren. So werden Preise UND die damit verbundenen Leistungen vergleichbar.
Immer wieder sehe ich auf den ersten Blick sehr günstige Preise. Liest man dann jedoch das Kleingedruckte, kommt Posten für Posten hinzu und letztendlich ist dieses Angebot kein bisschen günstiger als ein anderes, das auf den ersten Blick deutlich teurer zu sein scheint. 
Du planst ein neues Genre in dein Portfolio aufzunehmen, das du bisher (noch) nicht fotografiert oder angeboten hast, dann bitte einen Kollegen um Unterstützung und frage ihn, ob du bei ihm als Second-Shooter mitlaufen darfst. Was einfach klingt, stellt sich allerdings in der Realität als ausgesprochen schwierig dar, weil sich kaum ein Kollege von einem künftigen Konkurrenten in die Karten schauen lässt. So bleibt dir nur, bei Freunden und Bekannten um Unterstützung zu bitten und das nächste Familienevent kostenlos (natürlich gegen Speis‘ und Trank) zu absolvieren. Auf diese Art und Weise kannst du dich natürlich auch an Hochzeiten heranwagen, solltest das allerdings auch genauso kommunizieren, damit hinterher die Enttäuschung nicht riesengroß wird – für beide Seiten.
Sei immer ehrlich und offen deinen Kunden gegenüber. Erzähle ihnen von deinen Stärken, denn „klappern“ gehört zum Handwerk. Die Schwächen kannst du geflissentlich weglassen, aber auf die konkrete Frage, ob du dir das zutraust oder ob du dazu im Stande bist, solltest du ehrlich – gegebenenfalls auch mit einem „Nein“ – antworten. Die allermeisten Kunden werden dir das danken und behalten dich in guter Erinnerung. Was heute nicht funktioniert hat, kann morgen zu einem Riesenauftrag werden.
Ein nicht sofort „eingefahrener“ Auftrag, ist ein verlorener Auftrag – eine alte Weisheit erfahrener Versicherungsagenten. Die Zahl derer, die nach einer Nacht des darüber Schlafens zu einer Entscheidung finden, ist deutlich in der Minderheit.
Erhältst du einen Auftrag nicht, frage nach, warum nicht. Frage per E-Mail oder telefonisch. Oftmals bekommst du eine ehrliche Antwort und du kannst für das nächste Mal von deinen Fehlern lernen – sofern es dein Fehler war.
Sei und bleibe authentisch. Wenn du der Jeans-Typ bist, dann zwänge dich nicht in einen Anzug. Wenn du gerne Röcke trägst (als Frau), dann trage ihn auch während des Kundengesprächs. Du musst dich wohlfühlen. Fühlst du dich wohl, tut es auch der Kunde. Gerade kompetente Führungskräfte haben ein feines Gespür für ein „aufgesetztes“ Verhalten, zumal du das nicht dauerhaft durchziehen kannst. Um so überraschter sind sie dann, wenn dein wahres Ich den Weg nach Außen sucht.
„Verbiege“ dich nicht. Das fällt dir früher oder später auf die Füße. Manchmal passt es nicht. Dann ist das so und wird auch nicht besser werden.
Halte dich mit politischen Bekundungen oder sogenannten Lebenseinstellungen zurück. Zumindest so lange, bis du den Kunden kennst und ihn einordnen kannst. Ansonsten sitzt du schneller „in den Nesseln“ als es dir lieb ist.

Fazit
Wenn du all das beachtest, ist der Preis nebensächlich. Kaum jemand wird dich nach einem gelungenen Auftritt nach dem Preis fragen und wenn doch, wird er/ sie auch höhere, wohl kalkulierte und transparente Preise akzeptieren und vor allem respektieren.
Übrigens ein Grund mehr, deine Leistungen und deine Preise nicht nach Stunden oder Tagen berechnet, von vornherein auf deiner Homepage zu kommunizieren. Du nimmst dir damit jeden Verhandlungsspielraum. Der Kunde fängt mit einem Stundensatz von 200 Euro nichts an, denn er weiß im Vorfeld nicht, wieviel Zeit die Erfüllung des Auftrags in Anspruch nehmen wird. Besser ist es, sich zunächst das Begehren (das ist es wieder, das „Begehr“) anzuhören, um dann die erforderliche Zeit und daraus resultierend einen Gesamtpreis zu nennen, der alle Nebenkosten inkludiert. Dazu musst du allerdings deine eigene Preisstruktur genau kennen und das wird schwierig, wenn du deine Leistungen in viele Bereiche und „Unterleistungen“ differenzierst. Übrigens liest das auf deiner Homepage sowieso kaum jemand – viel zu kompliziert. Kein Kunde möchte mit dem Taschenrechner herumlaufen oder -sitzen und sich den Gesamtpreis selbst ausrechnen müssen.
Am Ende des Gesprächs steht – wenn überhaupt – EIN Preis im Raum und der passt oder nicht. Deswegen ergibt es im Vorgespräch auch Sinn, ach dem Budget zu fragen. Ist das sehr klein, kannst du deine Leistungen sofort reduzieren – ohne lange Vorrede. Ist das Budget entsprechend groß, kannst du aus dem Vollen schöpfen und bleibst dennoch darunter. Das kommt bei jedem Kunden gut an, ob er will oder nicht.
Du siehst also, das ist alles nicht sehr komplex und schon mal gar nicht kompliziert und nach zwei, drei Fehlversuchen, weißt du, wie der Hase läuft.

Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinen nächsten Kundengesprächen bzw. bei der Kundenakquise.

©2024 Jürgen Pagel | Neunzehn58
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